In der ehemaligen ÖGB-Zentrale wurde österreichische Geschichte geschrieben: Die Geschichte der Sozialpartnerschaft, einem Erfolgskonzept der Nachkriegszeit. Hier haben sich Vertreter der Gewerkschaften getroffen und sich für die Rechte von Arbeitnehmer_innen stark gemacht. Doch die Herausforderungen, mit denen der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) heute konfrontiert ist, verlangen, dass das Bild von Erwerbsarbeit neu definiert werden muss.
Anhören
Ansehen
Herunterladen
Audio
Video ÖGS (mobile Version)
Video ÖGS (Tablet-Version)
Die Geschichte des ÖGB
Gegründet wurde der Österreichische Gewerkschaftsbund 1945 von der damaligen Regierung als Dachverband für die unterschiedlichen Verbände. Mit dem Zweck, die unterschiedlichen Interessen zu strukturieren und zu kontrollieren. Damals wie heute ist das wesentliche Ziel des ÖGB eine soziale Absicherung durch Erwerbsarbeit und die Regelung der Konflikte zwischen Kapital und Lohn.
Die Gewerkschaften haben nach dem 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft gespielt. Seit den 80er Jahren jedoch haben sich die Voraussetzungen radikal geändert. Für den Politikwissenschaftler Emmerich Tálos sind folgende Veränderungen ausschlaggebend:
„Die wirtschaftliche Internationalisierung hat zur Konsequenz, dass viele Entscheidungen im Ausland getroffen werden. Der Dienstleistungssektor wächst enorm, doch die Gewerkschaften sind darin ungleich weniger stark veranktert als zB. im industriellen Sektor. Und in der Erwerbsarbeit finden einschneidende Veränderung statt: Arbeitslosigkeit ist mittlerweile ein Dauerphänomen und Erwerbsarbeit heißt heute nicht mehr nur Vollarbeitszeit, sondern im Wesentlichen atypische Beschäftigungsform, von Teilzeit bis Neue Selbständige.
Zu diesen kommt, daß Österreich viel staatlichtes Vermögen privatisiert hat. Dies bewirkt auch einen Wandel der Gewerkschaften, dass nicht mehr die gesellschaftliche politische Ausrichtig in Hinblick auf Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen wichtig ist, sondern eine neoliberale Orientierung, dh. sehr viel stärker das Indivuduum, der Markt, mit enormer Einschränkung auf den Staat und die staatlichen Aktivitäten wie den Sozialsstaat.“
Neoliberale Tendenzen
In einer neoliberalen Gesellschaft werden die Unsicherheiten auf eine Einzelperson übertragen. Dies sieht man an auch den verschiedensten Formen von neuen Beschäftigungsverhältnissen: wie zb. Neue Selbständige, freie Dienstverträge, oder
Ich-AGs. Ziel dieser atypischen Beschäftigungsformen ist vor allem, die Unsicherheit des Arbeitslebens auf den Einzelnen zu übertragen. Eine Verantwortung, die ursprünglich bei den Unternehmen war.
Work@flex
Die Gewerkschaften versuchen auf diese Veränderungen zu reagieren. Mit der Beratungsstelle Work@flex hat die Gewerkschaft der Privatangestellten schon einigen prekär Beschäftigten helfen können. Und sie hat sicherlich dazu beigetragen, dass die „freien Dienstnehmer_innenverträge“ zurückgegangen sind, ganz entgegen dem europäischen Trend. Denn bei freien Dienstnehmer_innen handelt es sich, wie die Beraterin Andrea Schober erklärt, meistens um sogenannte „Scheinselbständige“.
Wie viele Menschen konkret davon betroffen sind, ist für die Beraterin nur schwer zu sagen. Die Zahlen liegen bei der SVA und die habe kein Interesse daran, dass jemand untersucht, wie viele Scheinselbständige unter den Neuen Selbständigen sind. Dass dabei nur die Hälfte der Honorare aus freien Dienstnehmer_innenverträgen existenzsichernd ist, hat die letzte Umfrage der GPA ergeben. Zudem entfällt für Frauen im Falle einer Schwangerschaft eine soziale Absicherung. Dies kann existenzbedrohend werden. Ebenso sind Frauen mit Migrationshintergrund massiv benachteiligt. Dies zeigt sich auch bei den „Selbständigen Pflegerinnen“, die 24 Stunden Pflege anbieten.
Probleme wie diese können Beratungsstellen nicht bewältigen. Und so fordert auch Emmerich Tálos:
„Gewerkschaften müssten in Zeiten wie diesen, wo der Druck seitens des Finanzkapitals, der Unternehmen und ihrer Vertretungen beträchtlich wächst, auch konfliktorischer sein und mehr Flagge zeigen, mehr als bisher.“
Gestaltung: Ida Divinzenz