Das Polizeianhaltezentrum an der Roßauer Lände steht wie kaum ein anderer Ort für die Macht des Staates über das Leben von AsylwerberInnen und Flüchtlingen in Österreich. Flüchtlinge, denen eine Abschiebung droht, werden hier in Schubhaft gehalten. Das PAZ ist aber auch ein Ort des Protests. Regelmäßig finden hier Demonstrationen für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik, für die Freilassung von Schubhäftlingen und für ein Bleiberecht statt. Und laufenden Abschiebungen werden durch Blockaden zu verhindern versucht.
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Sechs Abschiebungen täglich
Mehr als 2.000 Abschiebungen führt die Fremdenpolizei jährlich durch. Durchschnittlich bis zu sieben täglich. Viele dieser Abschiebungen bleiben unbeachtet. Die Proteste nehmen aber zu. Immer wieder lehnen sich Menschen gegen Abschiebungen in ihrem persönlichen Umfeld auf. Sie erkennen die Ungerechtigkeit und die Gefahr einer drohenden Abschiebung und werden aktiv.
Unterschriften sammeln, Medien informieren, Demonstrationen organisieren, und vieles mehr: Bei einer Kampagne zur Verhinderung einer konkreten Abschiebung gibt es viel zu tun. Sebastian Kugler ist Aktivist in der Anti-Abschiebe-Bewegung und rät möglichst früh zu beginnen und viele Personen einzubinden: „Wir haben Schulversammlungen gemacht, wo sich die ganze Schule im Turnsaal getroffen hat. Dort haben wir beschlossen: ‚Nein, unser Mitschüler wird nicht abgeschoben‘. Durch öffentlichen Druck im Vorhinein ist die Chance am größten, eine Abschiebung zu verhindern.“
Auch für Sonja Grusch, Bundessprecherin der Sozialistischen LinksPartei (SLP) und in der Anti-Abschiebe-Bewegung aktiv, liegt der Schlüssel in einer breiten Solidarisierung und einer möglichst lauten Kampagne. Ein Forschungsprojekt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien hat ergeben, dass Proteste gegen geplante Abschiebungen durchaus erfolgreich sind. Rund die Hälfte aller Abschiebungen, die Proteste ausgelöst hatten, konnten letztlich verhindert werden. „Das heißt, dass es absolut sinnvoll ist, eine Kampagne zu machen. Je größer die Öffentlichkeit ist, umso größer ist der Schutz für die Flüchtlinge“, so Sonja Grusch.
Nicht hinsetzen, bei der Pilotin beschweren
Ist eine Abschiebung bereits in Gang, verlagert sich der Protest zum Flughafen. Personal und Passagiere sollen von der Unrechtmäßigkeit und der Gefahr der Abschiebung überzeugt werden. „Das Effektivste ist das Überzeugen des Personals – des Flugpersonals und des Bodenpersonals. Wenn der Fluglotse sich weigert, das Flugzeug abzufertigen, dann hebt das Flugzeug nicht ab“, so der Aktivist Kugler. Und auch Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt für Fremden- und Asylrecht, bestätigt: „Wenn es sich um einen gewöhnlichen Linienflug handelt, dann ist der Pilot der Chef. Die Polizei hat in einem Flugzeug nichts mehr zu sagen.“ Die PilotInnen der meisten Airlines hätten die dienstliche Anweisung, unfreiwilligen Fluggästen die Mitnahme zu verweigern. „Wenn Du mir sagst, dass Du nicht mitfliegen willst, dann fliegst Du nicht mit. Punkt“, so Bürstmayr.
Fluggäste werden beim Check-in darauf aufmerksam gemacht, dass auf ihrem Flug eine Abschiebung stattfinden soll. Flugblätter klären darüber auf, was PassagierInnen machen könnten. Sich nicht hinsetzen, das Handy nicht abschalten und sich vor allem beim Piloten oder der Pilotin beschweren. Denn, so Sebastian Kugler, ein Abschiebeflug ist kein sicherer Flug: „Da sitzt jemand drinnen, der gegen seinen Willen wahrscheinlich in den Tod abgeschoben wird. Diese Person wird bereit sein, alles zu tun, damit dieser Flieger nicht abhebt.“
In einigen Fällen ist es so gelungen, durch ein solidarisches Einschreiten von Fluggästen eine Abschiebung im allerletzten Moment zu verhindern. Die rechtlichen Konsequenzen sind dabei aber nicht restlos geklärt. Rechtsanwalt Bürstmayr warnt zur Vorsicht, Schadenersatzforderungen der Fluglinien könnten teuer werden. Die AktivistInnen Sebastian Kugler und Sonja Grusch wissen von Klagsdrohungen, betonen aber, dass es tatsächlich noch nie zu solchen Klagen gekommen ist. Solche Einzelaktionen in letzter Minute sind für sie sowieso nur Notlösungen. Langfristiges Ziel muss es sein, das Asylsystem als Ganzes zu verändern und ein breites antirassistisches Bewusstsein zu schaffen.
Gestaltung: Gerd Valchars