Das Stuwerviertel war bis 2011 ein traditionelles Rotlichtviertel. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter konnten dort vor den Stundenhotels anbahnen, die Kunden bezahlten die Miete und die sexuelle Dienstleistung. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter konnten so relativ sicher und selbstständig ihre Tätigkeit ausüben. Doch nach Beschwerden von Anrainerinnen, die fälschlicherweise von Kunden der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter angesprochen wurden, wurden im Stuwerviertel Maßnahmen gegen die sichtbare Sexarbeit getroffen. Beton-Straßensperren wurden aufgestellt, die den Kunden die Fahrt durch das Viertel erschweren sollen. Zusätzlich wurden vermehrt Polizeikontrollen durchgeführt und das Prostitutionsgesetz 2011 beschlossen.
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Das Wiener Prostitutionsgesetz 2011
Das Wiener Prostitutionsgesetz von 2011 verbietet das Anbahnen und Ausüben von Prostitution im Wohngebiet. Das Gesetz hatte zum Ziel, die Sexarbeit vom Straßenstrich in den Indoor-Bereich zu verlagern. Es wird angenommen, dass für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter Bordelle sicherere Arbeitsplätze sind als die Straße. Doch auch in Bordellen und Stundenhotels kann Ausbeutung stattfinden. Beispielsweise können Bordellbetreiber und -betreiberinnen nach wie vor unbeschränkt hohe Zimmermieten von den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern kassieren.
Das Wiener Prostitutionsgesetz führt auch dazu, dass der Straßenstrich in die Peripherie der Stadt verdrängt wurde. Diese Gegenden sind oft ohne Infrastruktur, wie Waschgelegenheiten, Toiletten, öffentliche Verkehrsmittel oder auch Orte, um sich im Winter aufzuwärmen. Auch die Sicherheit für die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter ist dort nicht gewährleistet. Das fördert wiederum Abhängigkeiten von Beschützern oder Zuhältern. Weil der Straßenstrich immer kleiner wird, steigt dort die Konkurrenz und die Preise sinken. Erlaubniszonen an sicheren Orten mit der nötigen Infrastruktur wurden von der Politik lange versprochen aber bisher nie umgesetzt. Nun haben die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter die Wahl unter schlechten Arbeitsbedingungen ihre Dienstleistungen zu erbringen oder in den Wohngebieten Gefahr zu laufen, bestraft zu werden.
Sexarbeit kann derzeit nur in Neuer Selbstständigkeit ausgeübt werden. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter bezahlen Steuern und Sozialversicherung. Dennoch ist Sexarbeit nach wie vor eine stigmatisierte Tätigkeit. Auch die Anmeldung bei der Polizei und die wöchentlich angeordneten gynäkologischen Untersuchungen tragen strukturell dazu bei, ein Bild zu vermitteln, das mit Kriminalität und Krankheit verbunden ist.
Gute Arbeitsbedingungen schaffen oder verbieten?
Wie soll Sexarbeit in Zukunft aussehen? Darüber gibt es geteilte Ansichten. Während die einen ein Verbot von Sexkauf fordern, wollen die anderen ein Ende der Stigmatisierung und gute Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit. Jene, die ein Verbot fordern, sehen Prostitution als Hindernis für eine gleichberechtigte Gesellschaft. Männer sollen sich Frauenkörper nicht kaufen können. Prostitution ist hier stark mit ökonomischen Zwängen und Gewalt verbunden. Die meisten Frauen arbeiten nicht selbstbestimmt in der Prostitution. Die anderen sehen genau in einem Verbot einen Eingriff in die selbstbestimmte Berufswahl. Erwachsene Frauen und Männer sollen in gegenseitigem Einverständnis mit ihren Körpern tun dürfen was sie möchten. Frauen und Männer haben hier die Wahl, ob sie als Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter arbeiten möchten und tun das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Sie verkaufen hier nicht ihren Körper sondern klar abgesteckte Dienstleistungen. Allerdings müssen die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter so weit verbessert werden, dass sie sich gegen Ausbeutung und Zwang zur Wehr setzen können.